Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine stellte eine große Zäsur für die langjährige wissenschaftliche Kooperation zwischen Deutschland und Russland dar. In der deutschen Wissenschaftslandschaft wurde der Krieg mehrheitlich verurteilt und infolgedessen die Zusammenarbeit mit Russland beendet bzw. unterbrochen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat laufende wie geplante Forschungsprojekte und Programme mit staatlicher Beteiligung aus Russland als auch Technologietransfers eingefroren. Gleichzeitig heißt es aus dem Ministerium, dass die Türen für politisch bedrohte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler offengehalten und die russische Zivilgesellschaft gestärkt werden soll. Auch die bayerischen Universitäten haben den russischen Angriffskrieg entschieden verurteilt und nach Absprache mit der Bayerischen Staatsregierung und dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst entschlossen, alle bestehenden Forschungskooperationen mit russischen und belarussischen Wissenschaftseinrichtungen mit sofortiger Wirkung, insbesondere im Bereich der Spitzentechnologien, bis auf Weiteres auszusetzen.
Das russische Hochschul- und Wissenschaftssystem, durch die politischen Umbrüche von 1917 und 1991 gewiss nicht arm an tiefgreifenden Paradigmenwechseln, vollzieht derzeit den bisher größten Wandel seiner Geschichte.
Die Zeit nach der Auflösung der UdSSR bedeuteten zwar den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbau des alten Systems, der Hochschul- und Wissenschaftsbereich blieb aber über fast zwei Jahrzehnte weitestgehend vom allgemeinen Systemwandel unberührt. Einerseits war diese Periode zwar geprägt von positiven Entwicklungen wie der Entsowjetisierung, der Internationalisierung und einem äußerst dynamischem Wachstum, andererseits aber auch von Unterfinanzierung, Qualitätsverlust und „brain drain“. Begonnen hat der, bis heute anhaltende, deutlich spürbare Transformationsprozess des russischen Hochschul- und Wissenschaftssystems mit der Einführung der neuen „Föderalen Universitäten“ im Jahre 2006. Diese Universitäten sollen sich zu Zentren der regionalen Wirtschaftsförderung entwickeln.
Die einstige Speerspitze der sowjetischen Wissenschaft, die „Akademien der Wissenschaften“, ist seit Ende 2014 in ihrer traditionellen Struktur aufgelöst worden und obliegt seit 2018 direkt der Aufsicht des Russischen Ministeriums für Bildung und Wissenschaft. Im Zuge dessen sollen die neugeschaffenen „Nationalen Forschungsuniversitäten“ schrittweise die Tätigkeiten der Grundlagenforschung übernehmen.
2013 startete die russische Exzellenzinitiative mit dem Titel „5Top100“, welche die Qualität der Hochschulbildung, die internationale Wettbewerbsfähigkeit und die Sichtbarkeit der führenden russischen Hochschulen verbessert hat. Mindestens 5 der ausgewählten 21 Hochschulen sollten bis 2020 die Top 100 der internationalen Hochschulrankings erreichen. Bis 2019 haben sich 14 russische Universitäten in den Top 100 anerkannter internationaler Fächerrankings etabliert, insbesondere in der Informatik, den Ingenieur- und Naturwissenschaften. Gleichzeitig wurden, aufgrund rückläufiger Studierendenzahlen und den Anstrengungen zur Qualitätssicherung der Hochschulen, durch eine eingeführte „Effizienzkampagne“ bis zum Jahr 2020 zahlreiche Universitäten geschlossen oder zusammengelegt.
Im Jahr 2021 startete die russische Regierung ein neues Exzellenzprogramm namens „Priority 2030“. Zu den Zielen der Initiative gehören die Förderung Russlands als attraktives Ziel für Studium und Forschung sowie die Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit. Zur Erreichung der Programmziele wurden 106 Hochschulen ausgewählt, welche bis 2030 eine jährliche Fördersumme von mindestens 100 Millionen Rubel erhalten werden.
Wichtige Eckpfeiler der russischen Forschungspolitik sind die Modernisierung der Forschungsinfrastruktur, die Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Schaffung von mindestens 15 Wissenschafts- und Bildungszentren auf Weltniveau bis 2024, in denen Forschung, Bildung und Industrie eng zusammenarbeiten, um wissenschaftliche Ideen in die Wirtschaft zu übertragen. Die akademische Forschung wird in Russland vor allem durch die Russische Wissenschaftsstiftung (Russian Science Foundation: RSF) und die Russische Stiftung für Grundlagenforschung (Russian Foundation for Basic Research: RFBR) gefördert. Das Fördervolumen der Russischen Wissenschaftsstiftung lag 2020 bei 242,41 Mio Euro.
Einen Meilenstein für die Wissenschaftskooperation zwischen Deutschland und Russland bildet die zehnjährige „deutsch-russische Roadmap für die Zusammenarbeit in Bildung, Wissenschaft, Forschung und Innovation“, welche im Jahr 2018 von Vertretern des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und dem Ministerium für Wissenschaft und Hochschulbildung der Russischen Föderation unterzeichnet wurde. Die zielgerichtete Intensivierung der Wissenschaftsbeziehungen fokussiert sich auf folgende Prioritäten: Die physikalische Grundlagenforschung, die traditionellen Kooperationsbereiche wie die Meeres- und Polarforschung, innovative Forschungsfelder wie die Bioökonomie sowie die Geistes- und Sozialwissenschaften, die wissenschaftliche Nachwuchsförderung durch Stipendien und der Forschungstransfer in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft.
Angesichts der äußerst dynamischen und unübersichtlichen Entwicklung (Stand 2020 gibt es 497 staatliche und 213 nichtstaatliche Hochschulen sowie weit über 1.000 Hochschulfilialen), die von deutschen Hochschul- und Wissenschaftseinrichtungen weitgehend unbemerkt vor sich geht, stellt BAYHOST einen Kompetenzatlas mit den führenden russischen Hochschul- und Wissenschaftsinstitutionen bereit. Dies dient dazu dem Informationsdefizit entgegenzuwirken und bei der Suche nach geeigneten russischen Hochschulen, die sich für Kooperationen, Forschungsprojekte, Austauschprojekte, Konferenzen etc. anbieten, eine Hilfestellung zu bieten. Da wir eine bayerische Einrichtung sind, werden in der Regel nur bilaterale bayerisch-russische Hochschulkooperationen aufgelistet.
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