Russland verfügt das mit Abstand größte Hochschulsystem in Europa: Im Studienjahr 2007/08 gab es 7,5 Mio. Studierende. Aufgrund der demografischen Krise der 1990er Jahre sinkt die Zahl jedoch kontinuierlich und im aktuellen Studienjahr 2014/15 gibt es „nur“ noch 5,2 Mio. Studierende, die an knapp 1.000 Hochschulen, darunter 550 staatlichen, lernen.

In den letzten Jahren fand im Zuge einer tiefgreifenden Modernisierung und Internationalisierung eine Ausdifferenzierung der Hochschulen statt, so dass sich gegenwärtig folgende Hochschultypen kategorisieren lassen:

1) Autonome Staatliche Universitäten

Hierzu zählen die beiden wichtigsten Hochschulen des Landes, die Staatliche Lomonossow-Universität Moskau (MGU) sowie die Staatliche Universität St. Petersburg (SPBGU). Als international bekannte und renommierte „Aushängeschilder“ sind sie von zentraler Bedeutung für das russische Hochschulsystem, was durch ihren autonomen Status sowie die direkte Finanzierung aus dem Staatshaushalt untermauert wird.

2) Föderale Universitäten

Zwischen 2007-2009 wurde in jedem der neun Generalgouvernements eine Föderale Universität etabliert. In der Regel wurde hierzu die größte Hochschule der Region mit zwei, drei weiteren Hochschulen fusioniert, so dass eine zentrale, große und führende Föderale Universität entstand. Die vorranginge Aufgabe der Föderalen Universitäten besteht darin, Eliten und Fachkräfte für die jeweilige Region auszubilden und die regionale Wirtschaftsentwicklung durch Technologietransfer, Wirtschaftskooperation, Business-Inkubatoren etc. voranzutreiben.

Infolge der Annexion der Krim wurde im August 2014 die Universität Simferopol zur Föderalen Universität ernannt. Da die Krim nach internationalem Recht jedoch ukrainisches Staatsgebiet ist, wird diese (und die weiteren Hochschulen der Krim) nicht im Kompetenzatlas aufgenommen.

3) Nationale Forschungsuniversitäten

Im Zuge des steigenden internationalen Wettbewerbsdrucks beschloss die russische Regierung 2008, Bildung und Forschung, die noch aus der Zeit der Sowjetunion getrennt an Universitäten (zuständig für Bildung) und Akademien der Wissenschaften (für Forschung zuständig) stattfanden, an einer Reihe von Hochschulen zusammenzuführen. Eine Gruppe von 29 Nationalen Forschungsuniversitäten wurde ausgewählt, die nicht nur im internationalen Wettbewerb konkurrieren, sondern vor allem auch den heimischen Bedarf an dringend benötigtem, hochqualifiziertem Wissenschaftspersonal decken sollen. Bis auf zwei Ausnahmen (die Higher School of Economics sowie die Medizinische „Pirogow“-Universität, beide in Moskau) sind es häufig technisch orientierte und spezialisierte Hochschulen, die in ihren jeweiligen Disziplinen zu den führenden Einrichtungen zählen, wie z. B. die Staatliche Hochschule für Physik und Technik (MFTI). Im Zuge der fundamentalen Reform der Akademie der Wissenschaften werden die Akademien zukünftig vermutlich an die Nationalen Forschungsuniversitäten angegliedert, was deren Forschungskomponente zusätzlich stärken sollte.

4) Weitere Hochschulen von zentraler Bedeutung

Es gibt eine Gruppe weiterer Hochschulen, die eine große Bedeutung besitzen, jedoch nicht in eine dieser drei Kategorien fallen. Dies sind sowohl landesweit bedeutende Institutionen wie die renommierte Hochschule für Internationale Beziehungen Moskau (MGIMO), aber auch regional bedeutsame Universitäten wie z. B. die Staatliche Juristische Universität Ural in Jekaterinburg. BAYHOST hat einige Hochschulen identifiziert, die in diese Kategorie fallen und die zwar über keinen besonderen Status wie die Hochschulen der drei genannten Gruppen verfügen, aber dennoch aufgrund ihrer hohen Bildungsqualität einen guten Ruf genießen und für Kooperationen in Betracht kommen.

5) …und was ist mit den restlichen mehr als 900 Hochschulen?

Die praktisch nicht vorhandene Regulierung der Hochschulen in den 1990er Jahren hat zu einem äußerst dynamischen Wachstum der russischen Hochschullandschaft geführt. Es entstanden zahlreiche – vor allem private – Hochschulen von teils zweifelhafter Qualität. Das Bildungsministerium hat inzwischen auf diese Fehlentwicklung reagiert und alleine 2013-2014 mehr als 400 Hochschuleinrichtungen die Lizenzen entzogen; zahlreiche weitere sollen folgen. Auch wenn gewiss nicht alle der etwa 900 weiteren Hochschulen bloß Diplome verkaufen, so ist doch durch jahrzehntelange Unterfinanzierung,  Mangel- und Misswirtschaft deren (personelle, technische, etc.) Infrastruktur häufig in einem solch desolaten Zustand, dass eine Kooperation nicht unbedingt empfohlen wird. Die Hochschulen dieser Gruppe verfügen zudem kaum über Internationalisierungserfahrungen, was nachhaltige und erfolgreiche Hochschulkooperationen erschwert. Sollten Sie sich daher für eine Hochschule interessieren, die nicht im Kompetenzatlas aufgeführt ist, empfehlen wir, den DAAD oder BAYHOST zu konsultieren, um weitere Informationen über die jeweilige Hochschule zu erhalten.

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