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Hochschulen in Russland und der Ukraine

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Schule im Krieg: Lernen von Lehrkräften in der Ukraine

Vom Unterricht im Luftschutzbunker und dem Sinn, andere zu trösten: LMU-Absolventin Iryna Iryna Nadyukova hat die psychische Belastung von Lehrkräften in der Ukraine untersucht.

Eigentlich hatte Iryna Nadyukova andere Pläne für ihre Masterarbeit: Sie wollte die Interaktion zwischen Lehrkräften und Schülern an deutschen und ukrainischen Schulen vergleichen. Noch am 23. Februar 2022 saß sie mit Professorin Anne Frenzel vom Munich Center of the Learning Sciences in deren Büro an der Psychologischen Fakultät der LMU zusammen, um über ihr Forschungsthema zu sprechen.

Aber über Nacht änderte sich alles. Russische Panzer rollten auf Kiew zu. An Forschung war zunächst nicht zu denken. Iryna Nadyukova war „sehr geschockt“, wie sie heute sagt. Sie organisierte eine Hilfsaktion an ihrer Fakultät. Sorgte dafür, dass mehrere vollbeladene LKWs die Ukraine erreichten. Engagierte sich für die psychologische Unterstützung von Geflüchteten und half ukrainischen Kindern in einem Projekt der NGO „Lern-Fair“ beim Deutschlernen.

Im August 2022 beschloss sie, den Fokus ihrer Masterarbeit zu ändern und sich anderen, drängenden Fragen zu widmen: Worunter litten die Lehrerinnen und Lehrer in der kriegsgeplanten Ukraine? Wie groß war der Stress, den sie empfanden? Wie halfen sie sich selbst? Und: Wie konnte ihnen geholfen werden? Ihre Betreuerin Anna Frenzel war von der Relevanz des Themas sofort überzeugt, zweifelte anfangs allerdings daran, ob es möglich sein würde, die nötigen Daten zu erheben. Hatten Lehrkräfte im Krieg nicht Wichtigeres zu tun, als Fragen von Forschenden zu beantworten?

Ausnahmezustand: Erst Pandemie, dann Krieg

Aber wie sich bald zeigte, sind die digitalen Netzwerke ukrainischer Lehrkräfte stark. Während sich deutsche Lehrerinnen und Lehrer, wie Frenzel erklärt, eher als Einzelkämpfer verstehen, schließen sich ihre Kollegen in der Ukraine zum Austausch zusammen. Für Iryna Nadyukova war es darum kein Problem, eine repräsentative Stichgruppe von mehr als 700 Lehrkräften zusammenzustellen, die bereit waren, in einen Fragebogen mit geschlossenen und offenen Fragen zu beantworten.

Deutlich machen die Ergebnisse der inzwischen im Fachmagazin Teaching and Teacher Education veröffentlichten Arbeit: Die Lehrkräfte erleben während des Krieges sehr viel mehr Stress als etwa in der Pandemie – jener anderen „fürchterlichen Disruption“, so Frenzel, die dem Einmarsch russischer Truppen vor drei Jahren unmittelbar voranging. Schon während Corona stellten Schulen in der Ukraine von Präsenz- auf Onlineunterricht um. Klassen wurden geteilt. Manche Kinder sahen ihre Schule kaum von innen. Seit dem 24. Februar 2022 ist das nicht anders.

Hat eine Schule keinen Luftschutzbunker, findet Unterricht online statt. Reicht der Platz im Keller nicht für alle aus, unterrichtet man die Klassen vormittags und nachmittags in getrennten Gruppen. Bei Bombenalarm fliehen Lehrkräfte und Schüler so schnell wie möglich in den Luftschutzkeller. Gelehrt und gelernt wird dort in der Regel wenig – es ist einfach zu voll und zu laut.

Manchmal gelingt es aber doch, den Unterricht im Luftschutzkeller fortzusetzen, wie ein Lehrer Iryna Nadyukova erzählt – allerdings unter Aufbietung aller Kräfte. „Man hörte Explosionen draußen. Ich habe den Kindern gesagt, unsere Soldaten schössen Raketen ab, alles sei in Ordnung. Innerlich habe ich gezittert. Weil ich überhaupt keine Ahnung hatte, was draußen wirklich los war.“

Trost finden im Trost spenden

Frenzel findet die Statements von Lehrerinnen und Lehrern aus dem kriegsgequälten Land „sehr berührend“. Besonders beeindruckt ist sie von der Kraft, die viele Pädagogen aus dem Kontakt mit den Kindern schöpfen. „Die Verantwortung für die Schutzbefohlenen, die einem vertrauen, wird zu einer emotionalen Ressource“, sagt sie. Denn für die Lehrerkräfte ist es zwar belastend, bei Bombenalarm mit weinenden Schulkindern im Bunker zu sitzen und keine Antwort zu haben auf die Frage, ob deren Eltern noch am Leben sind. Zumal sie häufig selbst nicht wissen, ob es ihren eigenen Angehörigen gerade gut geht. Sie erzählen aber auch, wie erfüllend und tröstend es ist, die Kinder in den Arm nehmen zu können, sie zu trösten und zu sagen: „Alles wird gut!“

„Aus den Studienbefunden kann man praktische Implikationen für die eigene Emotionsregulation ableiten“, erklärt Frenzel. Statt sich auf erlittene Anstrengungen und Belastungen zu fokussieren, gehe es darum, die Situation aus einer anderen Perspektive zu betrachten, um den Sinn seines Handelns zu entdecken. „Die Daten zeigen, wie hilfreich es sein kann, die Aufmerksamkeit auf die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns zu lenken. In der Psychologie nennt man das Reappraisal – Neubewertung“, so Frenzel.

Auch Iryna Nadyukova haben die persönlichen Geschichten, die sie eingesammelt hat, tief berührt. „Aber sie haben mich auch motiviert, weiter zu forschen. Weil ich diesen Lehrkräften eine Stimme geben wollte. Damit ihre Erfahrungen gehört, gesehen und verstanden werden.“ Vielen Lehrkräften, erzählt sie, helfe ihr Pflichtgefühl – und die Freude, die sie in der Arbeit mit Kindern empfinden. „Dass die Schüler auf sie zählen: Dass stärkt und stützt sie und hilft ihnen, weiterzumachen.“

Iryna Nadyukova ist inzwischen in ihre Heimatstadt Lwiw zurückgekehrt. Vor Jahren hatte sie die Stadt im Westen der Ukraine verlassen, um an der New York University zu studieren und anschließend mehrere Jahre lang in Abu Dhabi, an einem Forschungslabor der Universität, zum Thema Unterricht, Lernen und Entwicklung zu arbeiten. An das Munich Center of the Learning Sciences der LMU kam sie, weil sie besonders spannend und innovativ fand dort zu lernen, wie Lehren und Lernen funktionieren und verbessert werden können.

Achtsamkeit trainieren, um nicht auszubrennen

In der Ukraine arbeitet sie inzwischen als Koordinatorin für Bildungsprojekte beim Norwegischen Flüchtlingsrat in der Ukraine. Ziel des Projekts ist es, Lehrkräfte darin zu trainieren, Stress abzubauen und sich selbst und ihren Schülerinnen und Schülern bestmöglich zu helfen. Denn es raubt jede Menge Energie, Gefühle zu unterdrücken und führt auf Dauer zu Burnout, erklärt Iryna Nadyukova. „Nach drei Jahren vollumfänglichem Krieg sehen wir das sehr häufig.“

Mit ihrer Arbeit versucht sie, gegenzusteuern. „Wir erklären, was Stress ist, wie er sich auf Körper und Geist auswirkt und wie man damit umgehen kann.“ Zu den Werkzeugen, die sie vermittelt, gehören verschiedene, leicht erlernbar Atemübungen; die Vorstellung von einem „Safe space“, einem sicheren Raum, in den man sich imaginär zurückziehen kann, wenn die Welt da draußen aus den Fugen gerät; und Achtsamkeitsübungen. Darüber hinaus lernen die Lehrkräfte, Schulkinder beim Umgang mit Stress zu unterstützen. Etwa indem sie kleine Atem- oder Turnübungen in den Unterricht einbauen, zur Entspannung.

Iryna Nadyukova selbst hilft angesichts der großen Belastungen, mit denen sie in ihrer Arbeit konfrontiert wird, ihre Ausbildung zur Meditations- und Achtsamkeitstrainerin. „Viele Studien zeigen, dass Meditation und Atemübungen Gehirnfunktionen verändern und die Fähigkeit zu Konzentration und Gefühlsmanagement verbessern.“ Wie es für sie selbst in den kommenden Jahren weitergeht, hängt nicht zuletzt vom Schicksal der Ukraine ab. Sicher aber ist: „Noch Jahre nach Ende des Krieges wird es nötig sein, die Lehrkräfte dabei zu unterstützen, emotional wieder auf die Beine zu kommen“, so LMU-Psychologin Anne Frenzel.

Quelle: idw-Informationsdienst Wissenschaft

Philipp Schwartz-Forum in Berlin: Unterstützung für gefährdete Forschende

Am 3. und 4. April kamen auf Einladung der Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH) etwa 360 Personen zum Phillipp Schwartz-Forum nach Berlin. Experten und Expertinnen aus Wissenschaft, Verwaltung und Politik diskutierten über Wissenschaftsfreiheit sowie den Schutz von gefährdeten Forschenden.

Die Humboldt-Stiftung richtete das Vernetzungstreffen aus, um gefährdete Forschende und alle, die sie auf lokaler, nationaler oder internationaler Ebene unterstützen, zusammen zu bringen.

Am ersten Tag des Forums tauschten sich die Wissenschaftlerinnen Nil Mutluer, Philipp Schwartz-Alumna (Universität Leipzig) und Olga Shparaga, Philipp Schwartz-Fellow (Universität Wien/FernUniversität Hagen) über Repressionen der Wissenschaftsfreiheit in der Türkei und Belarus aus feministischer Perspektive aus. Ebenfalls gaben Forschende aus der Türkei, der Ukraine und Venezuela Einblicke in Berufschancen in der Wissenschaft und stellten dabei die Frage: Wie können wissenschaftliche Karrieren in Deutschland fortgeführt werden, nachdem sie ungewollt durch Gewalt und Verfolgung im Heimatland unterbrochen worden sind? Die erzwungene wissenschaftliche Mobilität sei schließlich anders gelagert als die karrierefördernde, geplante Mobilität von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

Ein weiterer Schwerpunkt des Forums lag auf der aktuellen Situation des Wissenschaftssystems in Syrien. Die teilnehmenden syrischen Forschenden unterstrichen das Potenzial des akademischen Systems; es müsse nicht komplett neu aufgebaut werden. Es brauche aber mehr Plattformen – wie das Philipp Schwartz-Forum – um die wichtigsten Themen zu diskutieren und Pläne für die nächsten Jahre zu schmieden. Junge Forschende im Ausland – einige von ihnen seien bereits nach Syrien zurückgekehrt – könnten und wollten dazu beitragen.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in ihren Herkunftsländern erheblicher und anhaltender persönlicher Gefährdung ausgesetzt sind, können ihre Arbeit mit Hilfe eines Stipendiums der Philipp Schwartz-Initiative der Humboldt-Stiftung in Deutschland fortsetzen. Gefährdete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Ukraine werden mit dem Programm MSCA4Ukraine in Deutschland und anderen europäischen Ländern gefördert.

Quelle: Kooperation International

Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen: Förderung für europäische Doktorandennetzwerke und ukrainische Forschende

Die Europäische Kommission hat die Ergebnisse des Aufrufs für die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen (MSCA) für Doktorandennetzwerke 2024 bekannt gegeben. 149 Promotionsprogramme in ganz Europa werden mit insgesamt 608,6 Millionen EUR gefördert. 1.800 Forschende können davon profitieren und werden bei ihrer Karriereentwicklung unterstützt. Zudem erhalten 49 geflüchtete Forschende aus der Ukraine über das Programm MSCA4Ukraine die Möglichkeit, ihre Arbeit in der EU fortzusetzen.

Die MSCA-Doktorandennetzwerke sind Teil des EU-Forschungsrahmenprogramms Horizont Europa. Die zur Förderung ausgewählten Programme decken alle wissenschaftlichen Disziplinen ab. Die meisten sind den Bereich Engineering und IKT (37,6 %), Lebenswissenschaften (22,8 %), Geistes und Sozialwissenschaften und Chemie (beide 12,1 Prozent) zugeordnet. Von den insgesamt 149 geförderten Doktorandennetzwerken sind acht „Industrial Doctoral Programmes“, bei denen die Promotion in Unternehmen erfolgt. Acht weitere sind „Joint Doctoral Programmes“, die zu gemeinsamen oder mehreren Abschlüssen führen.

Die Doktorandennetzwerke werden von Einrichtungen aus 18 Ländern koordiniert. Die meisten koordinierenden Einrichtungen sind in Deutschland (24) ansässig, gefolgt von Spanien (20), den Niederlanden (15), dem Vereinigten Königreich (13), Dänemark (12) und Italien (12). Insgesamt sind 9.335 Partner aus 130 Ländern an den Netzwerken beteiligt.

Ein weitere Ausschreibungsrunde für die Doktorandennetzwerke startet am 28. Mai 2025.

Bereits Ende März öffnete die Ausschreibung 2025 für das Programm „MSCA Staff Exchange“. Dieses fördert gemeinsame Forschungsprogramme für Wissenstransfer durch den Austausch von Forschenden und Personal. Einreichungen sind bis zum 8. Oktober 2025 möglich. Insgesamt stehen 97,7 Millionen EUR für bis zu 85 Projekte zur Verfügung.

MSCA4Ukraine

Mit dem „MSCA4Ukraine Fellowship Scheme“ unterstützt die EU geflüchtete Forschende aus der Ukraine. Ende März wurden 47 Postdocs und 2 Promovierende ausgewählt, die ihre Arbeit an Hochschulen, Unternehmen, Forschungszentren und öffentlichen Einrichtungen in der EU fortsetzten können. Insgesamt 15 Forschende – und damit mehr als in Polen (6), dem Vereinigten Königreich (5), Österreich (4) und Frankreich (4) – werden an Einrichtungen in Deutschland arbeiten.

Quelle: Kooperation International

EU-Projekt LUKE gestartet: Die Ukraine mit dem Europäischen Forschungsraum verbinden und Zusammenarbeit in Forschung und Innovation unterstützen

Am 5. und 6. Februar 2025 fand das Kick-off-Meeting des Horizont Europa-Projekts „Linking Ukraine to the European Research Area – Joint Funding and Capacity Building Platform for Enhanced Research and Innovation Cooperation“ (LUKE) statt.

LUKE wird eine multilaterale Plattform für Finanzierung und Kapazitätsaufbau für die ukrainische Forschungs- und Innovationsgemeinschaft schaffen. Das LUKE-Netzwerk besteht aus einer Gruppe von Forschungsförderern und Institutionen, die für Unterstützungsmaßnahmen zuständig sind. Das Projekt ist am 1. Januar 2025 gestartet und hat eine Laufzeit von 48 Monaten. Federführender Partner des Projekts ist der DLR Projektträger. Insgesamt 25 Institutionen, Organisationen und Regierungsstellen aus 15 Ländern arbeiten in dem Projekt zusammen — Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Georgien, Lettland, Litauen, Moldau, Österreich, Polen, Rumänien, Schweiz, Tschechische Republik, Türkei und die Ukraine.

Das Kick-off Meeting wurde von Herrn Florian Frank und Frau Romi Sasse (Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF) eröffnet. Herr Hryhorii Mozolevych, Generaldirektor der Direktion für Wissenschaftsentwicklung im Ministerium für Bildung und Wissenschaft der Ukraine, dankte allen Projektpartnern für ihre Unterstützung der Ukraine und betonte die Bedeutung von Forschung und Innovation für die Zukunft des Landes. Auch Vertreterinnen und Vertreter der Generaldirektionen Forschung und Innovation (GD RTD) sowie für Erweiterung und östliche Nachbarschaft (GD ENEST) der Europäischen Kommission nahmen an dem Kick-off Meeting teil.

Am ersten Tag des Treffens wurde der Arbeitsplan des Projekts besprochen. Darüber hinaus tauschten die Teilnehmenden ihre Ideen zu verschiedenen Möglichkeiten der Finanzierung des ukrainischen Teils der gemeinsamen Projekte aus. Am zweiten Tag konzentrierten sich die Veranstaltung auf Themen wie die Teilnahme der Ukraine am Europäischen Forschungsraum sowie die aktuelle Situation und die Perspektiven der Forschungsaktivitäten in der Ukraine. Die Geschäftsführerin der Nationalen Forschungsstiftung der Ukraine, Frau Olga Polotska, betonte die hohe Bedeutung wettbewerblicher Ausschreibungen für die ukrainischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Das Projekt LUKE verfolgt folgende Ziele:

  • Durchführung einer multilateralen Ausschreibung zur Finanzierung von transnationalen Forschungs- und Innovationsprojekten unter Beteiligung der Ukraine;
  • Stärkung des Forschungspotenzials der Ukraine durch die Förderung von Kooperation und Kapazitätsbildung;
  • Unterstützung der Entwicklung eines modernen, effizienten und transparenten Forschungs- und Innovationsökosystems;
  • Förderung von Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer, um das Forschungspotenzial der Ukraine zu erschließen;
  • Verbesserung der Rahmenbedingungen für Forschung und Innovation und Förderung einer tieferen Integration der Ukraine in den Europäischen Forschungsraum.

Quelle: Kooperation International

Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf Forschungskooperationen

Das Online-Magazin Science|Business hat die Entwicklung der von Forschenden aus Russland und der Ukraine gemeinsam mit internationalen Kolleginnen und Kollegen veröffentlichten Arbeiten analysiert.

Der Artikel zeigt, dass nach Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine China zum wichtigsten russischen Kooperationspartner – gemessen an Ko-Publikationen – aufgestiegen ist. Diese Entwicklung ist nicht auf einen starken Zuwachs oder Förderung der chinesisch-russischen Zusammenarbeit zurückzuführen, sondern vielmehr auf den starken Rückgang der Kooperationen mit Forschenden aus westlichen Ländern; insbesondere aus Deutschland und den USA, die vor Februar 2022 die wichtigsten Forschungspartner Russlands waren. In absoluten Zahlen bewegten sich die von Forschenden aus Russland und China ko-publizierten Arbeiten 2022 (3.280) und 2023 (3.538) auf einem ähnlichen Niveau.  

Im Vergleich dazu stiegen die internationalen Ko-Publikationen von Forschenden aus der Ukraine in Zusammenarbeit mit westlichen Staaten nach Beginn der russischen Invasion an – vor allem mit Polen und Deutschland. Aber auch die gemeinsamen Veröffentlichungen mit chinesischen Forschenden nahmen zu. Wenig überraschend ist hingegen, dass es kaum noch ko-publizierte Arbeiten mit russischen Forschenden gab, die vor Beginn des Krieges zu den wichtigsten ukrainischen Kooperationspartnern zählten. Auch wenn die Zusammenarbeit bereits ab 2015 stark rückläufig war.

Quelle: Kooperation International

Geflüchtete Wissenschaftler*innen: DFG unterstützt: Beitrag zur Integration in Wissenschaft und Gesellschaft

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt weiterhin aus ihren Heimatländern geflüchtete Wissenschaftler*innen. Ermöglicht werden soll eine kurzfristige Integration in das deutsche Wissenschaftssystem, damit die wissenschaftliche Arbeit fortgesetzt werden kann.

Promovierte geflüchtete Wissenschaftler*innen, die innerhalb der letzten drei Jahre ihre Heimat verlassen mussten, können zum einen eine Walter Benjamin-Stelle einwerben und auf diese Weise ein eigenes Forschungsvorhaben durchführen. Die Förderung in diesem Programm bietet die Chance, durch die selbstständige Betreuung eines Forschungsprojekts Erfahrungen an einer wissenschaftlichen Einrichtung in Deutschland zu gewinnen, die für nächste Schritte der Etablierung im deutschen Wissenschaftssystem die erforderliche Grundlage bilden. Gleichzeitig kommen den Antragsteller*innen Maßnahmen zur individuellen Karriereunterstützung durch die Gasteinrichtung zugute, die im Walter Benjamin-Programm Bestandteil des Konzepts sind. Der in der Regel in diesem Programm bestehende Fokus auf Antragsteller*innen in der frühen Postdoktoranden-Phase entfällt für diese Zielgruppe.

Zum anderen können geflüchtete Wissenschaftler*innen in verschiedenen DFG-Förderprogrammen (Sachbeihilfe, Schwerpunktprogramm, Forschungsgruppe, Klinische Forschungsgruppe, Kolleg-Forschungsgruppe, Graduiertenkolleg) in laufende Projekte integriert werden. Eine solche Förderung kann seitens der Projektleiter*innen laufender DFG-Projekte über Zusatzanträge eingeworben werden. Die Zusatzanträge können sich auf alle Fördermittel richten, die eine Einbindung der Betroffenen als wissenschaftliche Hilfskräfte, Doktorand*innen, Postdoktorand*innen oder Professor*innen in das Projekt ermöglichen. Für die Einbindung von wissenschaftlich ausgewiesenen Personen eignet sich vor allem das Mercator-Modul; mit ihm können zum einen Aufenthalts- und Reisekosten und zum anderen eine Vergütung gewährt werden, deren Höhe sich nach der wissenschaftlichen Qualifikation richtet.

Sonderforschungsbereiche werden explizit angeregt, für die Einbindung von geflüchteten Wissenschaftler*innen insbesondere die bereits bewilligten pauschalen Mittel einzusetzen, mit denen sie flexibel, eigenverantwortlich und unmittelbar bedarfsgerecht reagieren können. Für Exzellenzcluster gilt dies ebenso.

Die rechtliche Ausgestaltung der Einbindung der geflüchteten Personen liegt in der Verantwortung der antragstellenden Projektleitungen sowie der Hochschulen beziehungsweise außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Hierzu zählen insbesondere die Feststellung akademischer Qualifikationen sowie die Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen zum Beispiel für den Abschluss von Beschäftigungsverträgen.

Bis auf Weiteres verlängert die DFG das Sonderprogramm Ukraine. Über diese Fördermöglichkeit können ukrainische Wissenschaftler*innen (Projektleitungen), die sich in der Ukraine befinden und deren Forschung weiter möglich ist, eine gesonderte Unterstützung erhalten. Im Rahmen des bestehenden DFG-Verfahrens „Kooperation mit Entwicklungsländern“ können die Antragsteller*innen in Deutschland bei der Sachbeihilfe, bei Forschungsgruppen und im Schwerpunktprogramm neben Mitteln für die Projektdurchführung in der Ukraine auch Mittel für den Lebensunterhalt der ukrainischen Projektleitungen in Höhe von maximal 1000 Euro pro Monat pro Projektleitung beantragen und im Bewilligungsfall an diese weiterleiten.

Quelle: Deutsche Forschungsgemeinschaft

Ukraine stellt Innovationsstrategie „WinWin“ vor

Die ukrainische Regierung hat am 15. Januar ihre „Global Innovation Strategy 2030“ vorgestellt. Die Strategie mit dem Titel „WinWin“ definiert die Vision der Ukraine als innovationsgetriebenes Land und umreißt Schlüsselbereiche, Grundsätze, Ziele und Aufgaben für die Innovationspolitik. Internationale Zusammenarbeit ist ein zentrales Element der Strategie.

Die Strategie skizziert einen Rahmen, um gute Bedingungen für Unternehmen, Start-ups, Forschende, Investoren und internationale Partner im Innovationssektor zu schaffen. Damit sollen die Souveränität, territoriale Integrität, wirtschaftliche Entwicklung und der Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg abgesichert werden. Mit der Umsetzung der Strategie strebt die Ukraine einen wirtschaftlichen Aufschwung an und will sich als regionaler Innovationsführer innerhalb Europas positionieren.

Die WinWin-Strategie zielt drauf ab, Märkte zu öffnen und den Zugang zu Finanzmitteln zu erleichtern, die Innovationsinfrastruktur des Landes aus- und gleichzeitig bürokratische Hürden abzubauen. Zudem sollen die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Unternehmen sowie die Ausbildung von erforderlichen Fachkräften unterstützt werden. Ein weiterer Fokus liegt auf der internationalen Zusammenarbeit und hier besonders auf der Integration in den Europäischen Forschungsraum.  

Die Strategie benennt Schlüsselsektoren und -bereiche und formuliert hierfür Ziele und Maßnahmen. Diese umfassen Technologien für Verteidigung, Medizin, Biologie, Nachhaltigkeit, Bildung, Landwirtschaft und Raumfahrt. Zudem adressiert die Strategie Künstliche Intelligenz, Halbleiter, Cybersicherheit, unbemannte und autonome Systeme sowie immersive Technologien (Extended Reality, XR) als Schlüsseltechnologien. Des Weiteren sollen technologische Lösungen in der Regierung und Verwaltung gefördert werden, um Innovationen zu beschleunigen und zu erleichtern.  

Für die Umsetzung der Strategie wird ein Zeitplan mit konkreten Zielvorgaben bis zum Jahr 2030 vorgelegt. Dazu zählt unter anderem die Platzierung in internationalen Rankings: Pisa (2030: 470-510 Punkte; 2022:428-450), Global Innvoation Index (2030: Rang 45; 2023: 57), Global Human Capital Index (2030: Rang 55; 2023: 79) und Global Patent Index (2030: Rang 35; 2023: 46). Als weitere Ziele werden die Steigerung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung (2030: 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts; 2023: 0,33 Prozent) sowie ein innovationsgetriebener Produktivitätszuwachs (2030: 35 Prozent; 2023: 25 Prozent) ausgegeben. Die Umsetzung soll durch jährliche Berichte überwacht und evaluiert werden.  

Zur Strategie

Die vollständige Strategie liegt ausschließlich in ukrainischer Sprache vor. In englischer Sprache sind zusätzlich zum Internetauftritt zwei ausführliche Präsentationen zu den Inhalten verfügbar:

Die Strategie wurde vom Ministerium für digitale Transformation der Ukraine in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Bildung und Wissenschaft der Ukraine und dem Amt für effektive Regulierung (Better Regulation Delivery Office, BRDO) mit Unterstützung der United States Agency for International Development (USAID) und UK International Development erstellt.

Quelle: Kooperation International

Max Weber Stiftung baut Forschungsstelle in der Ukraine auf

Mit der Einrichtung einer Forschungsstelle in Lviv setzt die Max Weber Stiftung (MWS) ihre Neuausrichtung in Osteuropa seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine fort. Die Münchener Historikerin Iryna Klymenko wird den Aufbau leiten.

Im November 2024 hat der Stiftungsrat der MWS den Aufbau einer „Forschungsstelle Ukraine“ beschlossen, nun nimmt das Projekt mit Iryna Klymenko als künftiger Leiterin Fahrt auf. In Kooperation mit ukrainischen Partnern entsteht in Lviv ein weiterer Standort in Osteuropa. Wie alle MWS-Institute dient er dem wissenschaftlichen Austausch, der Förderung des Nachwuchses und dem Verständnis zwischen Deutschland und dem Gastgeberland. Die Forschungsstelle wird sich mit der transnationalen Geschichte der Region beschäftigen, die durch die politischen Grenzen der heutigen Ukraine markiert ist. Der Fokus liegt dabei auf den Kommunikationsprozessen, durch die sich die Region seit der Frühen Neuzeit mit west- und mitteleuropäischen Akteuren und Institutionen verflochten sah. Es ist geplant, die Forschungsstelle nach Ende der Projektlaufzeit 2028 zu verstetigen und nach Möglichkeit auszubauen.

Iryna Klymenko ist eine erfahrene Historikerin mit Schwerpunkt in der europäischen Verflechtungsgeschichte. Sie studierte in Kyiv und München und wurde am Historischen Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität München promoviert und habilitiert. Ihre internationale Forschungserfahrung umfasst Stationen in Cambridge, Berkeley und am Deutschen Historischen Institut in Rom. Sie erhielt Fellowships des Historischen Kollegs München (2023/24) und des Wissenschaftskollegs zu Berlin (2025/26).

Im Mai wird die erste Veranstaltung der neuen Forschungsstelle stattfinden: Gemeinsam mit weiteren Kooperationspartnern organisiert sie das Symposium „The Most Documented War: Enacting Archives“, das am 22.-24. Mai 2025 Personen und Organisationen in Lviv zusammenbringt, die den Krieg in der Ukraine dokumentieren und archivieren.

Quelle: Kooperation International

Abkommen zur Wissenschaftlich-Technologischen Zusammenarbeit mit der Ukraine unterzeichnet

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat die deutsche Partnerschaft mit der Ukraine weiter ausgebaut. Zusammen mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Oksen Lisovyi unterzeichnete sie ein bilaterales Abkommen zur Wissenschaftlich-Technologischen Zusammenarbeit (WTZ).

Die Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger hat bei ihrem zweiten Besuch in der Ukraine seit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands die deutsche Partnerschaft mit der Ukraine weiter ausgebaut. In Kyjiw unterzeichnete sie gemeinsam mit dem ukrainischen Minister für Bildung und Wissenschaft, Oksen Lisovyi, das WTZ-Abkommen zur deutsch-ukrainischen Zusammenarbeit.

Ministerin Stark-Watzinger erklärte anlässlich der Unterzeichnung:

„Wir setzen auf die Zukunft der Ukraine. Deswegen habe ich heute mit meinem ukrainischen Amtskollegen Oksen Lisovyi ein Abkommen über unsere Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung unterzeichnet. Wir knüpfen damit an 30 Jahren vertrauensvolle wissenschaftliche und technologische Kooperation zwischen unseren Ländern an. Für den Wiederaufbau des Landes wird es herausragende und vernetzte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und eine Bildungsperspektive für die Menschen in der Ukraine brauchen. Hierbei unterstützen wir die Ukraine. Diese Unterstützung werden wir weiter ausbauen. Mit deutsch-ukrainischen Exzellenzkernen und dem neuen Förderaufruf „Forschung für Wiederaufbau“ stärken wir die wissenschaftlichen Potenziale und die Forschungszusammenarbeit. Ab dem kommenden Jahr fördern wir den Aufbau eines Deutsch-Ukrainischen Hochschulnetzwerkes. Wir wollen die Ukraine zu einem starken Partner in Bildung und Forschung in Europa machen.“

Die Ministerin wurde von einer hochrangigen Wissenschaftsdelegation begleitet. Teilnehmer waren der Vorsitzende der Wissenschaftsministerkonferenz und Minister der Finanzen und für Wissenschaft im Saarland, Jakob von Weizsäcker, der Sprecher der Allianz der Wissenschaftsorganisationen und Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Professor Patrick Cramer, der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaft Leopoldina, Professor Gerald Haug, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Professor Walter Rosenthal, und der Generalsekretär der Volkswagenstiftung, Dr. Georg Schütte.

Im Namen der Wissenschaftsministerkonferenz begrüßte ihr Vorsitzender, Jakob von Weizsäcker, die Unterzeichnung des deutsch-ukrainischen Abkommens zur Intensivierung der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Ukraine nachdrücklich:

„Es geht um den Beitrag von Wissenschaft und Forschung für den Wiederaufbau. Und es geht um Anerkennung der ukrainischen Wissenschaft als attraktiver Partner.  Auf dieser Basis werden Deutschland und die Ukraine vielfältige Programme und Austauschmaßnahmen vorantreiben, die einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Weiterentwicklung beider Länder leisten.“

Hintergrund

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt die Ukraine seit dem Beginn des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs im Februar 2022 mit zahlreichen Programmen zur Hochschulzusammenarbeit, zum Aufbau von Forschungsstrukturen und mit bilateralen Projekten. Bis zum Jahr 2029 werden dafür über 100 Millionen Euro investiert. Allein die in diesem Jahr gestartete „BMBF-Initiative Wiederaufbau Ukraine“ summiert sich auf 51,2 Millionen Euro.

Neu ist das deutsch-ukrainische Hochschulnetzwerk, das ab Juli 2025 aufgebaut und mit 24 Millionen Euro bis 2029 gefördert wird. Es soll den Wiederaufbau unterstützen und die Zusammenarbeit von Hochschulen beider Länder vertiefen. Im Rahmen des Hochschulnetzwerkes können deutsche Hochschulen mit ukrainischen Hochschulen kooperieren. Das Angebot reicht von digitalen Lehrangeboten bis hin zu gemeinsamen Studiengängen.

Das BMBF unterstützt die Ukraine mit dem vom Deutschen Akademischen Austauschdienst umgesetzen Programm „Ukraine digital: Studienerfolg in Krisenzeiten sichern“ bei der Aufrechterhaltung der Lehre an ukrainischen Hochschulen. Das Programm wird bis Juni 2025 verlängert und 3,2 Millionen Euro zusätzlich zu den bereits bewilligten 22,6 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Die vier deutsch-ukrainischen Exzellenzkerne in Lwiw, Kyjiw und Charkiw beschäftigen sich mit Grundlagenforschung in Medizin, Quantentechnologie, Materialforschung und Geschichte und werden jeweils mit bis zu 2,5 Millionen Euro bis 2028 finanziert. Damit soll die Ukraine mit exzellenten Leistungen im Europäischen Forschungsraum positioniert werden. Die Exzellenzkerne werden durch weitere Fördermaßnahmen zum Wiederaufbau und Reformierung des ukrainischen Wissenschaftssystems flankiert. Dazu zählt der neu aufgelegte Förderaufruf „Forschung für Wiederaufbau“.

Quelle: Kooperation International

Expertise bündeln, Ukraine-Kompetenz erhöhen

Der DAAD fördert mit Mitteln des Auswärtigen Amts zwei Zentren für interdisziplinäre Ukrainestudien: An ihren Standorten in Regensburg sowie Frankfurt an der Oder und Berlin gehen sie neue Wege, um der Ukraine in ihrer Vielfalt gerecht zu werden.

„Unser Ziel ist es, die Ukraine-Kompetenz in Deutschland zu erhöhen“, sagt Dr. Gisela Zimmermann vom Referat Kooperationsprojekte in Europa, Südkaukasus und Zentralasien im DAAD. „Die neuen, vom DAAD geförderten Zentren sollen ihre Arbeit auch gezielt an die Öffentlichkeit bringen.“ Breite Aufmerksamkeit für wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse – das hat für die Ukraine besondere Bedeutung.

„Die Tatsache, dass wir von Russlands groß angelegtem Einmarsch in der Ukraine überrascht wurden, sollte Beweis genug dafür sein, dass wir mehr – und differenzierteres – Fachwissen über und einen neuen Blick auf Osteuropa brauchen“, hob DAAD-Generalsekretär Dr. Kai Sicks bereits im Juli 2024 in seinem Grußwort zur Eröffnung des „Kompetenzverbunds Interdisziplinäre Ukrainestudien Frankfurt (Oder) – Berlin (KIU)“ hervor, den die Europa-Universität Viadrina mit Berliner Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen bildet. Sicks betonte: „Wir müssen unsere oft vereinfachte und falsche Wahrnehmung dieses vermeintlich einheitlichen, von Russland dominierten ‚Ostblocks‘ aufgeben. Stattdessen müssen wir die Region in ihrer ganzen kulturellen, historischen und politischen Vielfalt anerkennen. Dies gilt insbesondere für die Ukraine.“ Der KIU in Frankfurt an der Oder und Berlin und der am 2. Oktober 2024 eröffnete „Denkraum Ukraine“ an der Universität Regensburg: Beide Zentren für interdisziplinäre Ukrainestudien gehen neue Wege. Wir stellen die Zentren im Folgenden vor.

Kompetenzverbund Interdisziplinäre Ukrainestudien Frankfurt (Oder) – Berlin (KIU)

Ukraine-Kompetenz auf einer breiten Basis – das zeigt sich am KIU an drei Säulen: „Wir haben einen Forschungs-, einen Lehr- und einen Transferbereich etabliert“, erzählt Dr. Susann Worschech, wissenschaftliche Koordinatorin des KIU. „Wir gehen über die klassische Ukrainistik hinaus und vermitteln auch Kompetenz im sozial-, wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen Bereich.“ Im neuen Wintersemester startet ein ukrainebezogenes Lehrprogramm für Studierende, das im Laufe des nächsten Jahres zu einem Zertifikatsprogramm Ukrainestudien mit Ukraine-Seminaren, Sprachkursen und Möglichkeiten für Praktika ausgebaut wird. Neue Forschungsallianzen sind ebenso Ziel des KIU wie weitreichender Transfer der wissenschaftlichen Erkenntnisse.

„Wir sind gut vernetzt mit dem politischen Berlin und haben zahlreiche Kontakte in die EU-Zentren Brüssel und Straßburg“, veranschaulicht Susann Worschech. „Unser Ziel ist es, neben der Etablierung von Ukrainestudien im akademischen Raum, nicht zuletzt auch langfristig Wissen für den politischen wie für den medialen Diskurs aufzubauen.“ Das gelinge auch über die Ausbildung der Studierenden mit einem Ukraine-Wissen, das sich nicht allein auf das Land konzentriert, sondern zudem auf seine vielfältigen Verflechtungen und internationalen Beziehungen. Absolventinnen und Absolventen könnten perspektivisch auch in Ministerien ihre neue Ukraine-Kompetenz einbringen.

Neben der Viadrina sind mehrere Berliner Institutionen Teil des KIU: Die Freie Universität Berlin und die Humboldt-Universität zu Berlin, die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, das Wissenschaftskolleg Berlin und das Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS). Gemeinsam verfolgen sie die drei Schwerpunktthemen zu „Geschichte und Kultur“, „Gesellschaft und Staat“ und „Konflikt, Krieg und multiple Krisen im globalen Kontext“. Eine Weiterentwicklung des studienbegleitenden Zertifikatsprogramms Ukrainian Studies zu einem einschlägigen Masterstudienangebot wird ebenfalls angestrebt. Für die Vermittlung von Wissen über die Ukraine in Politik und Gesellschaft werden vielfältige Veranstaltungs- und Informationsformate eingesetzt. Auch ist ein Graduiertenkolleg zu den Schwerpunktthemen im Aufbau.

Zentral sind für den KIU seine ukrainischen Hochschulpartner: die Kyiv School of Economics, die Nationale Universität Kyjiw-Mohyla Akademie, die Nationale Taras Schewtschenko-Universität Kyjiw, die Ukrainische Katholische Universität Lwiw sowie die Karasin-Universität Charkiw. Auch NGOs wie der sozialwissenschaftliche ukrainische Thinktank Cedos zählen zum Netzwerk, ebenso Universitäten in Großbritannien, Polen und Litauen. Susann Worschech bringt das Ziel des gemeinsamen Einsatzes auf den Punkt: „Wir machen das mit dem Ziel, nie wieder erleben zu müssen, dass politische und soziale Erdbeben unsere direkte östliche Nachbarschaft erschüttern und wir einfach nicht damit umgehen können.“

„Denkraum Ukraine“ an der Universität Regensburg

„Der Aufbau eines Zentrums für interdisziplinäre Ukrainestudien ermöglicht es uns, institutionalisiert und längerfristig mit unseren ukrainischen und weiteren Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten“, sagt Professor Guido Hausmann, Leiter des Arbeitsbereiches Geschichte am Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) und Professor für Geschichte Ost- und Südosteuropas mit Schwerpunkt Russland/Sowjetunion und Ukraine an der Universität Regensburg. Dabei kann das Team um Hausmann, der wie auch Professorin Mirja Lecke Co-Sprecher des „Denkraums Ukraine“ ist, das Zentrum mit vielfältigen akademischen Strukturen in Regensburg verknüpfen: mit der Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropastudien, dem Department für interdisziplinäre und multiskalare Area Studies (DIMAS), dem von 2020 an mit der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg eingerichteten Zentrum Erinnerungskultur, dem IOS, dem Leibniz-WissenschaftsCampus „Europa und Amerika in der modernen Welt“ und dem Institut für Ostrecht. Es gibt auch vielfältige deutschlandweite und internationale Kooperationen, unter anderem mit dem Canadian Institute of Ukrainian Studies (CIUS) in Edmonton, der Nationalen Taras Schewtschenko-Universität-Kyjiw, der Ukrainischen Katholischen Universität in Lwiw sowie zusätzlichen regionalen und internationalen Partnern.

Vier Themenfelder stehen im Fokus des „Denkraums Ukraine“: „Sprache und kulturelles Erbe“, „Krieg, Frieden und Nachkriegsordnung“, „Flucht, Migration und Wertetransfer“ sowie „Regionale Vielfalt: Industrie- und Grenzregionen im Vergleich“. Sie eröffnen auf breiter disziplinärer Grundlage einen interdisziplinären Denkraum. Guido Hausmann macht deutlich, wie vielschichtig die Verbindungen Regensburgs mit der Ukraine sind. Schon im Mittelalter gab es Handelsbeziehungen mit Kyjiw und Odesa. Nach dem Zweiten Weltkrieg existierte das größte bayerische „Ukrainerlager“ für Displaced Persons in der Stadt, ebenso ein Ukrainisches Wissenschaftliches Institut Ende der 1940er-Jahre. „Und heute pflegen wir auch eine lange, sehr aktive Städtepartnerschaft mit Odesa“, so Hausmann. „Wir haben sehr gute Voraussetzungen, nicht nur internationale Beziehungen zu stärken, sondern mit unserer Forschung und Lehre auch den Transfer in die lokale und regionale Gesellschaft zu leisten.“ Hausmann nennt die Flucht, Vertreibung und Migration von Ukrainerinnen und Ukrainern nach Deutschland zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Geschichte als ein Beispiel für eine vergleichende Forschungsperspektive.

Auch für das Ziel, eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, sind die Bedingungen in Regensburg gut. So hat das IOS etwa 2022 sein Blog-Format „Ostblog Spezial: Russlands Krieg gegen die Ukraine“ gestartet, das nach wie vor vielfältige Perspektiven zum Krieg anbietet: vom Blick auf den russischen Imperialismus bis zum Rundgang durch Odesa mit seinem reichen, aber bedrohten kulturellen Erbe. Guido Hausmann weiß um den Wert der historischen Perspektive – und richtet den Blick in die Zukunft: „Wir haben die Hoffnung, ein Zentrum aufzubauen, das den Blick auf die Ukraine langfristig wertvoll erweitert. Dieser Aufgabe werden wir uns in den kommenden Jahren insbesondere gemeinsam mit unseren ukrainischen Partnern intensiv widmen und damit in die breite Öffentlichkeit ausstrahlen.“

Johannes Göbel (4. Oktober 2024)

Quelle: DAAD

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